Hier im Urlaub in Nordspanien erreichte mich dieser Tage die schreckliche Nachricht, dass eine liebe Freundin in Niger beim Autounfall ums Leben gekommen ist. Nur 34 Jahre alt geworden, betrieb sie bis dahin eine von der Familie im Jahr 1987 in Niger gegründete Stiftung, die sich vor allem der nachhaltigen Landwirtschaft in Niger gewidmet hatte. Nachhaltig im Sinne von: wenn man die Samen der Pflanzen nicht erst in einer Baumschule anzüchtet, sondern direkt am Zielort anpflanzt, können sich auch die tieferen Wurzeln ausbilden und der Pflanze so ein Überleben in den Trockenzeiten ermöglichen.
Eine Aufgabe, für die es Ausdauer und Zuversicht bedarf, denn wo die Natur mal keinen Strich durch die Rechnung macht, gibt es oft auch noch bürokratische und kulturellen Hürden zu überwinden. Wo staatliche Entwicklungszusammenarbeit zeitlich limitiert ist und innerhalb dieses Zeitrahmens Erfolge aufweisen muss, hat die Eden Foundation – der Name ist Programm – alle Zeit der Welt, eine nachhaltigere Landwirtschaft zu ermöglichen.
Wenn man sich als Gesellschaft für eine Entwicklungszusammenarbeit entscheiden sollte, und damit meine ich sowohl staatliche als auch private Initiativen wie diese hier (denn alleine aus Spenden finanzierte sich die Arbeit der Stiftung), dann sollte aus meiner Sicht alle Energie nur in solche Ansätze gesteckt werden, die auf nachhaltige Entwicklung ausgelegt sind und einen fühlbaren und langfristigen Mehrwert erzeugen. Eine nachhaltige Landwirtschaft also, in der die Nutznießer die Erfolge bei den Nachbarn sehen und eigenständig nach Hilfe fragen (statt des oft praktizierten top-down-Ansatzes, wo eine lokale Behörde eine Maßnahme beschließt). Alles andere lohnt sich nicht und kostet nur Geld, das sinnvoller investiert werden könnte. Wobei die staatlichen Akteure in den Zielländern der EZ natürlich auch gerne die Hand aufhalten und eine große Förderung sicherlich attraktiver erscheint, als so ein kleines Projekt, das vor allem die arme Bevölkerung adressiert.
Vor diesem Hintergrund also ist der Betrieb einer privaten Stiftung zu sehen, wo man zeitgleich an vielen Fronten kämpfen muss und nur durch Ausdauer und Offenheit seine Position wahrt und das Vertrauen der lokalen Bevölkerung erlangt (was sich große Geber oftmals mit Geld erkaufen, wenn sie systemisch überhaupt darauf achten). Wenn dazu dann noch eine christliche Komponente kommt und die Hilfe zur Selbsthilfe auch aus Nächstenliebe erfolgt, hat man in einem patriachalischen und islamischen Land wie Niger (94% der Bevölkerung) sicherlich noch ein weiteres potentielles Problem am Start. In diesem Dickicht aus Interessenskonflikten und dem daraus entstehenden Neid einen kühlen Kopf zu bewahren, bedarf wie jedes gute Projekt einer guten Führung und lässt sich sicherlich nur dann bewerkstelligen, wenn man Land und Leute verinnerlicht hat und nicht sofort aufgibt. Und während die Anfänge der Stiftung in den 1980er Jahren eher holprig und als idealistisch betrachtet werden können, so bezeugt die lange Ausdauer die Sinnhaftigkeit des Projektes. Aus meiner Sicht ist die Eden Foundation eine sehr gute Idee, für die es verantwortliche Betreuer bedarf und sich solche Menschen nicht allzu oft finden.
Die gute Freundin, Esther, die war so eine. Nach dem Umzug ihres Vaters nach Taiwan übernahm sie zusammen mit Bruder und Schwester sowie (freiwilligen) Mitarbeitern die Leitung der Stiftung vor Ort und war in dieser Tätigkeit ausgesprochen erfolgreich und kommunikativ. Nicht zuletzt als richtige Bloggerin schrieb sie ständig in dieses Internet hinein und kommunizierte oft und viel mit anderen Menschen. Über ihr Blog, Facebook, Twitter, E-Mail, Skype aber auch über eine Berichterstattung in den traditionellen Print- und schwedischen sowie taiwanesischen Fernsehmedien war sie ständig mit dem Rest der Welt verbunden. Eine Bereitschaft zur Kommunikation, die ich auch als Selbstmarketing verstand, wobei sie auf dämliche Selfies verzichte und dabei eher Land und Leute vorstellen wollte. Auch gibt es ja oft diese “ich mit afrikanischem Baby-aufm-Arm”-Bilder vieler Aid Worker, die dadurch ihren Altruismus ausleben wollen oder sonstige Komplexe verdecken müssen. Das alles gab es bei Esther auch, aber aus anderen Gründen heraus. Wenn man als Europäer unter Afrikanern aufwächst, sieht man sich selber nicht anders. Nur die Anderen, die Außenstehenden erkennen da Unterschiede. Auf mich wirkte das alles sehr vertraut, wobei ich auch ein großer Fan der afrikanischen Wüstenregionen bin und mich dort sauwohl fühle (wenn man mal von der trocken Nase absieht). Es ist ein Gefühl von Freiheit, dass man im dichtbesiedelten Europa wohl nur alleine im Meer oder in den Bergen erlebt.
Mit der Esther habe ich oft kommuniziert, wir verstanden uns sehr gut, hatten viele gemeinsame Themen und natürlich hatte ich immer diese Exitstrategie im Kopf, hier alles hinzuschmeißen und in den Niger zu fliegen, um dort Land und Leute zu erleben. Ihr früher Unfalltod nimmt mich sehr mit und ärgert mich insofern, als dass jetzt ein Leben beendet wurde, in dem noch so vieles erreicht werden sollte. Ich erfreue mich aber auch an der recht großen Anteilnahme online und sehe den internationalen Freundeskreis als wahren Mehrwert. Nur die Liebe zählt am Ende, und davon ist reichlich vorhanden. Ein Segen!
Ich erwähne das auch alles, weil in den vielen Beileidsbekundungen bei FB erwähnt wurde, dass man sie noch nicht in RL (real life) getroffen habe und es trotzdem so schmerzen würde. Darüber schrieb ich auch schon mal in 2010 und 2011: wir leben in einem Zeitalter, in dem die Onlinekommunikation als Kommunikationsform so weit etabliert ist, dass sie Emotionen transportiert und Menschen verbindet, die sich sonst aus physischen Gründen wohl eher nicht getroffen hätten. Jemand, der wie Esther diesen Wert der Kommunikation erkannt hat und für sein Projekt verwenden konnte, ist mir als Blogger natürlich unheimlich sympathisch.
Ruhe in Frieden, liebe Esther. <3
Du alltid att vara hos mig http://t.co/oO6Q6dVSDg http://t.co/yK0hru0UDQ