Der Dreizehnte Monat

Mit der Unschärfe ist es wie mit der Liebe: Am Ende zählt nur der Blick fürs Ganze. Für die Farben und die Stimmung, für die Gefühle beim Betrachten. Ähnlich verhält es sich mit geschrieben Werken – auch Jahre später können sie noch Emotionen erwecken. So wie bei mir.

Vor ungefähr 67 Jahren verfasste Erich Kästner einen (mittlerweile berühmten) Gedichtzyklus über die 12 Monate des Jahres. Später ergänzte er sein Werk noch durch ein schönes Vorwort und vor allem einen dreizehnten Monat, in dem er die Frage stellt, wie dieser wohl aussehen könne.

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Wer schreibt, der bleibt.

Das “unrelated photo” hat bei mir schon Tradition. Aber so eine Schale Erdbeeren ist doch auch schon schön, oder?

Heute bin ich nach einem unruhigen Schlaf aufgewacht, griff zum Handy, las ein paar Tweets und dachte mir so: “Ach, zu diesem Thema hatte ich doch schon mal einen Blogpost geschrieben”.

Und dann ist mir schlagartig bewusst geworden, dass dieses Blog schon seit fast 15 Jahren existiert. Und dass ich immer wieder hier und auf meinen anderen (Themen-)Blogs nach alten Beiträgen schaue, die teilweise in der Thematik nicht all zu viel an Aktualität eingebüßt haben und Gedanken zusammenfassen, die ich in der Zeit mal auf Englisch oder Deutsch zu einem bestimmten Thema zusammengeschrieben hatte. Vieles vergisst man ja auch inhaltlich, da ist so eine Merkhilfe nicht verkehrt.

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…in dem wir gut und gerne leben. #aussteigen #iaademo

Überall nur Räder, ein Traum!

Den unten stehenden Text schrieb ich letzte Nacht spontan bei Facebook rein, was für mich eher untypisch ist und ich meine Texte lieber in meinen Blogs sammel. Auslöser für den Text war die Teilnahme an der Fahrraddemo in Frankfurt am 14.9.2019, bei der aus allen Himmelsrichtungen Radfahrer aus Frankfurt und anderen Städten sternförmig zusammenkamen und in der Frankfurter Innenstadt vor der IAA-Messe demonstriert haben. Während diese große Menge an Radfahrern in dieser Stadt für mich ein ganz neues und sehr positives Erlebnis war, gab es nicht nur positive Rückmeldungen zur Demo, sondern auch viel Häme. Mir scheint als sind die Radfahrer die natürlichen Feinde der Autofahrer, es ist ein ständiger Kampf, dabei könnte es ein viel empathischeres Miteinander geben. Und es scheint mir vor allem ein Kommunikationsproblem zu sein, weil wir in Deutschland zwar viele Dinge diskutieren, aber so grundlegende Dinge für ein fröhliches Miteinander eher einer Erwartungshaltung überlassen, als sie in der Gesellschaft zu trainieren. Selbst die sogenannte “Flüchtlingskrise” oder die absurde “Überfremdungsangst” sind aus meiner Sicht auch ein Ergebnis dieser ungenügenden Kommunikation, in der wir verlernt haben, uns gegenseitig zu wertschätzen und zu verstehen.

Zurück zur Demo: Ich empfand die so genial und werde auf jeden Fall bei den nächsten Critical Mass Veranstaltungen in Frankfurt wieder mitmachen. Mein Fahrrad ist unbequem, mir sind die Reifen zu schmal, 7 von 21 Gängen sind seit Jahren defekt und ich favorisiere eine andere Sitzhaltung. Trotzdem empfand ich das alles als genau richtig, und ich erwähne es, weil es genau darum auch geht: Das Rad ist nicht DIE (perfekte) Lösung für uns alle, aber ein Teil der Lösung. Wer auf dem Land wohnt, ist oftmals zwingend auf ein Fahrzeug angewiesen. Ich liebe unseren 2007er VW Touran mit 2.0 Diesel EA188-DPF-Motor (Euro 4), seinen kostengünstigen Tiefgaragenstellplatz in der Wohnungsbaugenossenschaft und nutze den Wagen in der Stadt vor allem zum Einkaufen. In der kompletten Diskussion geht es seit Jahren allerdings nur um schwarz-weiß-Denke. Dafür oder dagegen. Aus meiner Sicht geht es vor allem um eine Industrie, die an den realen Bedürfnissen vorbei an teilweise überflüssigen Produkten arbeitet und das alles so selten in Frage gestellt wird. Was hat sich jetzt eigentlich in Folge des Dieselskandals getan und was ist mit den anderen Luftverpestern, die nicht verfolgt werden? Das ist alles nicht so einfach zu beantworten, wenn man selber gerne mit dem Auto fährt und sich über rücksichtslose Radfahrer ärgert, andererseits aber als gelegentlicher Radfahrer ums nackte Überleben kämpft und defensiver unterwegs ist als mit dem Auto. Und das ist in Frankfurt schon derbe brutal, weil es hier überaus viele Verstöße gegen die StVO gibt. Fahrt im Stadtverkehr mal konstant 50 km/h und beobachtet die Reaktionen.


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In Chcebus auf dem Friedhof

Auf dem Friedhof in Chcebus

Wenn man seine (biologischen) Eltern kennt und sogar die Vorfahren ein paar Generationen zurückverfolgen kann, dann ist das keine Selbstverständlichkeit und sicherlich auch keine Notwendigkeit in der heutigen Zeit. Gelebt wird im hier und jetzt, es wird für die Zukunft geplant. Herkunft und Abstammung spielen in einer globalisierten Welt immer weniger eine Rolle, was oftmals auch ganz gut ist, manchmal aber auch hinderlich. Allein, für die eigene Identifikation mag das Thema noch eine Rolle spielen, aber selbst das kann unterschiedlich ausgelegt werden. Für mich als Third Culture Kid (TCK) ist der derzeit diskutierte Heimatbegriff immer wieder eine unbeantwortete Frage. Vielleicht ein Ort, an dem das Herz hängt. Sofern man es mit einem Ort verbinden möchte. Continue reading “In Chcebus auf dem Friedhof”

Keltern mit der Seilschaft in Bad Vilbel

Ein guter Tag zum Keltern! Gleich geht’s los…

„Wir haben den ganzen Tag gearbeitet und mittags gab es die beste Grillwurst, die ich je gegessen habe”, erzählte mir Simone letztes Jahr begeistert von ihrer ersten Erfahrung beim Keltern von Äpfeln. Auf einem Resthof in der Bad Vilbeler Innenstadt trifft sich dazu einmal im Jahr eine bunt gemischte Gruppe (die sich überwiegend aus dem Eintracht-Forum oder über die sozialen Medien kennt), die wirklich den ganzen Tag lang schuftet und am Ende aus einer großen Menge Äpfeln frischen Saft presst, der über ein Rohrleitungssystem in großen Fässern im Keller abgefüllt wird.

Vermutlich der einzige Ort, an dem Comic Sans erlaubt ist.
Ich wollte dieses Mal unbedingt dabei sein und freute mich daher sehr, dass sich dieses Jahr wieder die Möglichkeit dazu bot und die Äpfel aufgrund der Wetterlage (viel Sonne, kaum Regen) zwar nicht so sehr im Saft standen, dafür aber zeitiger abgeerntet werden mussten. Und mit dem Ernten fängt es noch nicht einmal an — die gepachteten Apfelbäume auf diversen Streuobstwiesen im Bad Vilbeler Umland müssen das Jahr über beschnitten und gepflegt werden, sonst fällt die Ernte eher mager aus.

So viele Äpfel!
Am Erntetag fährt der Trupp an Freiwilligen früh raus aufs Feld, stoppelt die bereits abgefallenen Äpfel auf und sortiert die angeschimmelten Äpfel sofort wieder aus, denn diese würden später den Geschmack des Getränks verändern. In der Natur gibt es keinen Abfall, daher werden die faulen Äpfel in Richtung Stamm geworfen, damit sie dort ihre Nährstoffe wieder zurück an den Baum geben können.

*schüttel, schüttel*
Ist alles soweit geklärt, werden Kunststoffplanen ausgelegt und an den Zweigen der Bäume ordentlich gerüttelt, damit alle reifen Äpfel von selber herunterfallen. Und wieder heißt es: Auflesen und wegsortieren. Wer hier sorgfältig arbeitet und auch Zweige aussortiert, erspart sich hinterher viel zusätzliche Reinigungsarbeit. So geht das Baum für Baum weiter, bis die ganze Baumreihe größtenteils abgeerntet ist.

Ein kleiner Teil der Ernte :-)
Wer dann so einen Vormittag in gebückter Haltung in der Natur verbracht hat, der weiß das Endprodukt viel mehr zu schätzen. Eigentlich sollten alle Liebhaber von Apfelgetränken diese Arbeit mindestens einmal in ihrem Leben selber verrichtet haben, damit sie den Aufwand viel besser einschätzen können und den „scheenen Göddertrobbe” noch mehr wertschätzen. Viel wurde ja bereits in den letzten Jahren über guten Apfelwein geschrieben (z.B. „Süß, Sauer, Pur”, herausgegegeben von Andrea Diener und Stefan Geyer; oder „Das Hessische Äppelquartett”), aber so selbstverständlich wie der eigentliche Konsum des Getränks ist die Herstellung nicht.
Waschen, schneiden, pflegen
Den kompletten Anhänger voller Äpfel geht es dann zurück zum Resthof, wo die restliche Truppe schon auf die Weiterverarbeitung wartet und die Äpfel erstmal wäscht — und wieder aussortiert. Nur die besten Äpfel kommen weiter, der Rest geht zurück in die Natur. Die gewaschenen und entstielten Äpfel werden in einer Reibe zur Maische verarbeitet, die dann mit der Hand in sieben Lagen auf Siebblechen verteilt und sofort gepresst wird. Auf bis zu 120–150 kp/cm² drückt die alte Hydraulikpresse den Saft aus der Maische, der sofort abgepumpt und in 600 l Tanks im Keller geleitet wird. Zurück bleibt trockener Apfeltrester, der an die Schafe verfüttert und wieder zurück auf der Wiese verteilt wird. Ein schönes Kreislaufsystem, das wohldurchdacht ist und keinen Abfall produziert.

Ab ins Mahlwerk, wo die Äpfel zerstoßen werden müssen, damit sich richtig ausgepresst werden können.

Motivation

Wie kommt man dazu, an einem sonnigen Septembersamstag freiwillig bei so einer doch körperlich intensiven Arbeit mitzuhelfen? Weil es interessant ist; weil man dabei in geselliger Runde draußen in der Natur arbeitet; weil der Apfel ein Naturprodukt ist und die schnelle Vergärung und anschließende Lagerung des Saftes eine sorgfältige und hygienische Kelterung verlangt; weil man sich selber mal einen Eindruck von der arbeitsintensiven Herstellung machen möchte, und weil — und das ist eigentlich der wichtigste Grund — es ein traditionelles Handwerk ist, das durch die Verstädterung der Menschen und sich verändernder Lebensräume immer weiter abnimmt und daher am Leben erhalten werden sollte. Wohlgemerkt, es geht dabei nicht nur um das Endprodukt, sondern auch um den ganzen Herstellungsprozess und diesen Bezug zur Natur. Dass die Bäume jedes Jahr Früchte tragen, ist nämlich nicht so selbstverständlich und so gab es auch dieses Jahr etliche Bäume, die durch einen Schädlingsbefall in ihrer Produktion eingestellt waren.

Artenvielfalt

Natürlich geht es auch um den Erhalt der Streuobstwiesen und deren Artenvielfalt. So war jede geerntete Sorte anders, von klein bis groß, von hellgrau-grün bis tiefrot, von sauer bis süß — aber keiner mehlig —das ist schon eine große Bandbreite, die so eine Ernte umso interessanter macht. Alte Sorten haben eine andere Lagerfähigkeit, sind nicht auf den Konsum hin optimiert und haben neben ihrem eigenen Charakter auch ihre ganze spezielle Tauglichkeit für die Herstellung von Apfelwein. Das ist alles schon eine ganz andere Erfahrung und Wertigkeit als wenn man das 6er Pack gleichgroßer Äpfel aus Neuseeland bei Aldi kauft.

Sorgfältig werden die Hygienevorschriften eingehalten.
„Pflege für Pacht”, antwortete mir Olli auf die Frage, was so eine Streuobstwiese im Jahr kosten würde. Olli ist einer der Veranstalter und hatte vor einigen Jahren mit einigen Kumpels die Idee, selber zu keltern. Einfach mal selber Apfelwein produzieren, weil man den dafür nötigen Kellerraum hat und übers Jahr verteilt mit der Gruppe wohl selber 600 Liter Apfelwein konsumiert.

Die Hydraulikpresse
„Wir haben Anzeigen geschaltet und aktiv nach solchen Bäumen gesucht. Wir pflegen die Bäume das ganze Jahr über und ernten einmal im Jahr.” Wer selber Obstbäume im Garten hat und die Früchte nicht alle abernten oder verarbeiten kann, wird das Problem sicherlich kennen. Sich die Zeit für all das zu nehmen und jeden einzelnen Apfel zu untersuchen, ist ein wunderschöner Luxus und auch schon Grund genug, wenigstens an einem Tag im Jahr bei der Ernte dabei zu sein und das alles erleben zu können. So schmeckt der Apfelwein nach einem Vierteljahr Reifezeit noch viel besser, und besser als die kommerzielle Variante aus dem Supermarkt allemal.
Die vollen Tanks nach einem Arbeitstag. Der klare Schnaps dient nur zur Desinfektion der Probenbehälter.

Eine helfende Hand wird immer gesucht und neben der bereits erwähnten fabelhaften Bratwurst füllt Euch Olli vielleicht noch etwas frisch gepressten süßen Apfelmost ab. Ich würde mich sehr freuen, wenn die Ernte im nächsten Jahr genauso gut wird und einige von Euch dann dabei sein werden, weil ihr das jetzt auch mal alles kennenlernen möchtet. Prost!

Abfall ist Nahrung: Apfeltrester für die Schafe.
Update 2025: Ich war in den Folgejahren fast immer dabei, es lief immer genau so ab und ist immer einer der besten Tage des Jahres. Wer in FFM & Umgebung wohnt und das noch nicht kennt: Es lohnt sich sehr und wir freuen uns immer über gute, interessierte und hilfsbereite Teilnehmende!

re: Fußball #sge

Fußball war mir früher egal. Bespaßung für die Massen war das für mich. Brot und Spiele für die Bevölkerung, die unterhalten werden muss. Bestenfalls ein Event, das die Menge vereint, aber ohne weiteres Begeisterungsgefühl. “Interessierst Du Dich für Fußball?”, frug mich der Kollege damals in der Ausbildung. “Nein”, antwortete ich wahrheitsgemäß, woraufhin sich der Kollege desinteressiert abwendete. Allerdings war der als Maintaler auch Bayern München Fan und daher sowieso irgendwie suspekt. Nein, also dieser Fußball mit seinen ulkigen Fans und dem ganzen Zauber drumherum – es interessierte mich nicht sonderlich.

Heute sehe ich das etwas differenzierter.

“In der Saison 93/94 war ich bei jedem Heimspiel dabei”, schrieb mir mein Kumpel Kang-Ping letztens aus Taiwan. “Über den Sohn vom Trainer sind wir damals günstig an Karten gekommen, 5 DM das Stück. Ich habe da jedes Spiel mitgenommen.” Das hätte ich seinerzeit auch mal machen müssen. Einfach mal rechtzeitig ins Stadion gehen und diesen Fußball erleben, der mir so jahrelang egal war. Wahrscheinlich lag es daran, dass wir damals im Ausland gelebt haben oder mein Vater ebenso wenig Interesse für diesen oder überhaupt einen Sport aufzeigen konnte. Ich bin sehr nach ihm geraten, wir interessierten uns für die Kunst, weniger für Leibesertüchtigungen. Dabei ist Fußball sogar ein großartiges Mittel zur Völkerverständigung und der ultimate ice breaker für jede Konversation. Allein – das Interesse fehlte.

Wenn man Fußball nur aus dem Fernsehen kennt, kann auch keine richtige Freude aufkommen. Man muss da schon ins Stadion gehen und diesen Vibe spüren. Ich musste erst 38 Jahre alt werden, um auf Twitter diesen Wunsch zu einem Stadionbesuch zu äußern, der mir einen ganz wunderbaren Besuch bei der Partie Werder Bremen vs. Eintracht Frankfurt bescherte. Nochmals vielen Dank an @penn_y_lane, die schon als Kind zur Eintracht mitgenommen wurde. Überhaupt, die Eintracht. Die Sportgemeinde Eintracht Frankfurt von 1899 e.V..

Über meine Zufriedenheit mit Frankfurt schrieb ich ja bereits. Frankfurt ist mit seinem hohen Ausländeranteil ein willkommener Ort für alle diejenigen, deren Heimatverständnis mehr ein Erleben der Gegenwart ist, als die bedingungslose, hereditäre Treue zu einem Ort (so gesehen wäre ich vielleicht sogar gebürtiger geborener Hamburger, aber der HSV?! Lotto King Karl, ok, aber der Rest? Dann schon viel eher Werder Bremen.). Bei einer Stadt wie Frankfurt also ist es nur folgerichtig, dass die Eintracht Frankfurt aus meiner Sicht so ein schönes Sammelbecken für Frankfurter ist. Beim Spiel gestern saß ein Haufen Japaner neben uns. Für mich ist das ein ganz wunderbarer Grund, ins Stadion zu gehen.

Waldstadion

“Die Eintracht, da ist jeder willkommen!”. So oder so ähnlich erzählten es mir Bekannte bereits im Vorfeld, und das sagen die Fans wahrscheinlich bei jedem Verein. Ausgehend von der bunten Mischung an Fans kann ich dem auch nur zustimmen, wobei mich ein Besuch im sehr einheitlichen Fanblock jetzt auch sehr reizen würde. Womit ich zu meinen Likes und Dislikes komme:

Was ich mag:
Den Mannschaftssport. Keine Einzelkämpferleistung, sondern ein Miteinander und schöne Pässe. Spieler, die als Team auftreten und dynamisch die Lücken füllen, ohne vom Trainer dazu verdonnert zu werden. Das Fair Play, also die professionelle Haltung beim Spiel, die dieses Miteinander über den Kampf stellt. Das ist mir wichtiger als ein siegreiches Spiel. Tore finde ich nett, sehe sie aber eher als Garant für interessante Sponsoren.

Die Atmosphäre im Stadion. Du sitzt oder stehst auf der Tribüne und siehst da unten so kleine Figuren herumlaufen, hast einen besseren Überblick als die Spieler und denkst Dir die ganze Zeit: “Los jetzt!” oder “Raaaaaaan!!” oder “gib doch mal ab!” oder so Zeugs. Klugscheißergalore, wenn mir selber nach 100m die Puste ausgehen würde, aber trotzdem ist das geil. Sehr geil sogar. Sport live erleben, und das habe ich jetzt endlich gelernt, ist nochmal eine andere Liga als es immer nur passiv über einen Filter (i.e. TV) zu konsumieren. Wahrscheinlich wäre ein Partie Tennis live auch erträglicher.

Die Sprache. Einmal bei 11 Freunde vorbeischauen, alles querlesen und sich ob des Geschwafels erfreuen, das aber trotzdem vieles ganz genau beschreibt. Typen, die im Fernsehen stundenlang über den Sport reden. Früher war mir das sehr suspekt. Wie können die das nur ewig bequatschen? Haben die da selber mitgespielt oder auch nur (so wie ich) im Stadion mitbekommen? Überhaupt, ständig wird über irgendwelche Spielertransfers gesprochen und Siege hier und Führung dort. Über die Pässe und das Miteinander wird da gefühlt weniger gesprochen. Ist das wahr?

Die Erholung. Wie im Auge eines Tornados, so empfinde ich die 90 Minuten + Halbzeit im Stadion. Die pure Erholung. Natürlich fiebert man beim Spiel mit, aber ansonsten bin ich die Ruhe in Person während des Spiels. Volle Konzentration, aber ohne angestrengt zu sein. Wenn mich jetzt jemand fragt, ob ich mit zum Spiel kommen möchte, sehe ich da in erster Linie die geistige Erholung. Für mich ist das wie Meditation. Sehr, sehr erholsam. Sehr.

Die Strategie. Ein Land, das sich aktiv um eigene Nachwuchsspieler kümmert und aktiv aufbaut. Das mit einer U19-Mannschaft Erfolge einfährt und lieber selber etwas fördert als sich Potential aus dem Ausland einzukaufen.

Eintracht!

Was ich nicht so mag:
Die Preise. Beim letzten Spiel wurde ich eingeladen (thx!), denn auf Dauer könnte ich mir den Spaß nicht leisten. Diese ganze Kommerzialisierung von den Fanutensilien (Trikotpreise!) über die Eintrittskarten bis hin zur Abzocke bei der Verpflegung ist total ätzend. Natürlich ist es logistisch eine große Erleichterung, wenn alle nur noch mit Prepaidkarten bargeldlos bezahlen und bei jedem großen Spiel die Fans kontrolliert hin- und weggeleitet werden, aber irgendwie kommt man sich da auch wie dummes Vieh vor, das möglichst nur konsumieren und gute Stimmung machen soll. Wirklicher Freiraum sieht da doch anders aus.

Manche Fans erfüllen wirklich alle Klischees hinsichtlich des typischen Hessen. Also FFH-Radiohörer, Onkelz-Fan (“Gehasst, vedammt, vergöttert” – fand ich als 18jähriger in Kenia auch mal gut) und allgemein Anhänger irgendwelcher Sprüche, die auch gerne als Wandtattoos oder als Lebensweisheiten auf der FB-Pinnwand verewigt werden. Wenn man diese Klischees bedient haben möchte, wird man hier fündig. Obwohl die Sprüche auf den Fanschals schon wieder witzig sind und Frankfurt dieses Image eigentlich noch viel weiter ausbauen müsste (“Hauptstadt des Verbrechens”). Überhaupt, Fußballfankultur ist eine Welt für sich und ich kann/darf es eigentlich gar nicht beurteilen. Als Neuling nimmt man dieses Bild aber oft als erstes wahr, und daher habe ich jetzt auch so lange gebraucht, um zum Fußball zu finden.

Was gar nicht geht: der Spruch “aus eigener Kraft” beim FSV. Welcher Kommunikationsberater hat sich diesen Mist ausgedacht? Aus wessen Kraft denn sonst? Aus fremder Kraft? WTF? Die haben eh schon so wenige Fans beim FSV, und dann so nen Vorstoß. Ich wohne direkt am FSV-Stadion und muss mir diesen Mist jetzt öfter anschauen. Oh man.

Die ständige Regulierung. Wahrscheinlich muss ich mal richtig in den Fanblock abtauchen und ein Spiel aus deren Sicht erleben, aber irgendwie kommt es mir so vor, dass man in Deutschland alles nur in geordneten Verhältnissen zelebrieren darf. Das scheint wohl auch ein Grund zu sein, wieso es dann bei den Fans zu solchen scheinbar starken Sprüchen kommt, die einerseits Dinge wie Stärke, Loyalität oder Leidensfähigkeit demonstrieren sollen, und andererseits aber nur das erlaubt wird, was der Sponsor abgesegnet hat. “Fanbanner bitte nur in der Halbzeit”, oder so. Hier würde ich gerne mehr von dem sehen, was die Fans wirklich fühlen. Nicht nur das was der Sponsor oder der Club als massentauglich empfindet. Dann kann man sich auch die vielen Sprüche sparen, die eher peinlich wirken weil so gekünzelt. Auf der anderen Seite lebe ich aber auch fernab der Helene-Fischer-Welt und kann keinen einzigen Schlager mitsingen, insofern habe ich da wohl auch einen anderen Anspruch. Aber dennoch: ich würde die Fans gerne mehr das rauslassen sehen, was sie fühlen. Und Vereine, denen diese Fankultur wichtiger ist als jetzt familientaugliches Wochenendentertainment.

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So egal wie früher ist mir Fußball jetzt also nicht mehr. Ich schaue genauer hin, wenn über Spiele berichtet wird und erfreue mich ob der puren Erholung während des Spiels. Es ist eine Welt für sich, allerdings mit geringer Einstiegshürde und globalem Interesse. Ich musste erst etwas älter werden, um diese Form der Unterhaltung für mich als gut zu empfinden. Ich kann jetzt auch die Groundhopper besser verstehen, die einfach guten und vielseitigen Fußball sehen möchten. Wenn das nicht so anstrengend wäre, könnte ich mich vielleicht sogar dafür begeistern.

Beyond the Blue Band Generation

I wonder if this has ever been shared on the Kenyan blogosphere so far? I actually don’t like posting videos / not my own stuff, but the following is an interesting video that caught my attention while browsing Vimeo for quality content ex EAK.

Beyond the Nakumatt Generation

“Addressing the concerns of the poorest households and facilitating the inclusion of smallholders in modern distribution chains should be a priority in all East African countries.”
(“Beyond the Nakumatt Generation: Distribution Services in East Africa“, World Bank Policy Note No. 26, Oct 2011)

Talking about videos from Kenya, here is another – totally unrelated – one about a revolting teenager:

Do It Yourself, The Art Of Being Punk

Oh, and the art of browsing Vimeo & Co. for original Kenyan content is to exclude those vids produced by religious Wazungu Churches with their “Coming to Africa and doing good”-approaches that either show some slum dwellers or other poor groups in rural areas. It’s also the reason why I like this last video: even though it shows a household and protected childhood that probably only a small percentage of Kenyans have enjoyed, it’s the other side of Kenya that I have in mind when I talk about Kenya.

(“Blue Band Generation” is a play on the 1990s Kenya)