In Gedenken an Robert Basic (1966–2018)

Robert Basic (2014), CC-BY-SA-4.0, Foto von Sandra Schink, Quelle

„Wer schreibt, der bleibt”. Diese Weisheit ausm Vertragsrecht gilt nicht nur für Vereinbarungen, sondern könnte genauso gut auf das Schaffen von Robert Basic angewendet werden.

Robert Basic traf ich das erste Mal “in real life” auf einem kleinen Bloggertreffen im Bockenheimer Weinkontor im Juni 2007. Ich kam da gerade frisch aus Kenia zurück, zog nach Frankfurt und hatte die deutsche Blogosphere damals eher aus der Ferne verfolgt, weil ich bis dahin überwiegend auf Englisch geschrieben hatte und seit 2005 in der kenianischen Blogosphere aktiv war.

Bloggerkollegin Silke (paulinepauline) war im April 2007 bereits auf einem von Robert mitorganisierten BarCamp in Frankfurt und hatte mich auf die Veranstaltung hingewiesen. So saß ich an dem Abend neben diesem Typen, mit dem ich mich wunderbar unterhalten hatte und für den Begriffe wie Bridge Blogging (~ in Deiner Sprache über einen anderen Kulturkreis schreiben) keineswegs fremd waren. Natürlich hatte ich nur so eine leise Ahnung wer er war und konnte mir von seiner Relevanz in der deutschen Blogosphere zu dem Zeitpunkt noch kein Bild machen. Ein unscheinbarer Typ, der sich für viele Themen interessiert, aufmerksam zuhört und sehr gute Fragen stellt. So hatte ich ihn damals in Erinnerung. Twitter gab es zu dem Zeitpunkt schon, und so wurde er einer meiner ersten Follower.

In der Blütezeit der privaten deutschsprachigen Blogs, die ich so in den Zeitraum 2005 bis 2008 verorten würde, war der Austausch über Kommentare und Links ein wesentlicher Bestandteil der Kommunikationskultur online. Wer kein eigenes Blog betrieb, las zumindest mit und wer sich traute, schrieb seine Meinung als Kommentar dazu. Und so wurde in den Kommentaren heftig diskutiert. Wer ein eigenes Blog betrieb, schrieb manchmal auch eine Antwort und veröffentlichte diese als eigenen Beitrag bei sich. Links waren dabei die Währung in der Blogosphere, mit all ihren Auswirkungen auf die weitere Entwicklung im Internet. Es war eine andere Zeit als heute, die Lesedauer einzelner Beiträge wurde noch nicht angezeigt, man nahm sich Zeit fürs Lesen seiner Blogroll und RSS-Feeds, schaute sich die Bilder bei Flickr an und schrieb vor allem längere Antworten, die auch zu eigenen Blogposts gereicht hätten. In der heutigen Aufmerksamkeitsökonomie eher undenkbar, aber ohne diese Blogszene gäbe es das alles hier nicht. Ohne Robert Basic gäbe es vermutlich auch zu wenige Leser, die sich diesen langen Text durchlesen (ohne am Ende nach einem tl;dr zu suchen).

Basitsch denkt

Robert war ganz vorne mit dabei, haute viele Beiträge zu vielen verschiedenen Themen raus. Oft mehrmals am Tag, mit dem Lesen all dieser Beiträge kam man oft gar nicht hinterher. Aber meistens gute Sachen, wenig Gelaber, kein “ich sag mal so”-Gequatsche, sondern Gedanken und Ideen, die statt auf Papier digital aufgeschrieben und — das war der Unterschied zu vielen privaten Tagebuchschreibern — öffentlich geteilt wurden. Eine richtige Bloggermaschine war er in der Zeit, die jahrelang all das aufschrieb, was andere gar nicht erst zu Ende formulieren oder gar mit der Öffentlichkeit teilen würden. Das wirkte für viele Leser sicherlich verwirrend oder zumindest befremdlich, aber so war er halt und es war nicht verkehrt. Für alle etwas dabei. Hier mal eben eine Studie hervorgezaubert, von deren Inhalt und untersuchter Problematik man noch niemals gehört hatte, dort mal eben einen lustigen Link zur Bild-Zeitung gepostet, deren Website ich sonst nicht aufrufen würde. Dass er dort dieser Tage aus einem anderen Grund erwähnt werden würde: Er würde darüber lachen und es vermutlich als Story bei Facebook verlinken.

Facebook-Bloggerei

Womit wir bei Facebook wären, der Blogging-Plattform in geschlossener Gesellschaft. Nachdem er also mehr aus Neugier und aus Langeweile ob der Erwartungshaltung an ihn als Blogger (~ er wurde in der Blogosphere und außerhalb dessen zurecht als Vorbildblogger betrachtet) sein eigenes Blog basicthinking.de medienwirksam verkauft hatte, versuchte er es mit Buzzrider, wozu an anderer Stelle schon geschrieben wurde.

Buzzrider hatte ich seinerzeit nie so richtig verstanden, aber es war egal, weil wir damals Rob gefolgt sind. Was er macht, wird schon richtig sein und guten Output liefern. Irgendwann fing er dann mit Facebook Posts an. Facebook wurde zu der Zeit überwiegend für private Familien- und Freundeupdates benutzt. Dass jemand Facebook also fortan als Bloggingplattform nutzt? Diese geschlossene Gesellschaft mit ihren vergänglichen Timelines und fremdbestimmter Sortierung der angezeigten Beiträge? Undenkbar dass jemand wie Rob diese Plattform zum Bloggen nutzen würde. Aber er tat es und lag damit genau richtig. Dorthin gehen wo die Leser sind. Wer liest heute noch Blogs oder abonniert Websites im RSS-Feedreader? Wir alten Hasen vielleicht noch, aber sonst? Ich weiß nicht, ob Rob das alles erkannt hatte oder so voraussah, aber es war wohl bequemer so und außerdem war es eine neuere Technologie als das vergleichsweise schwere Bloggen auf einem eigenen Server mit all seinen Verantwortlichkeiten. Und: Fürs Bloggen in der Facebook-Timeline braucht man keine eigene Überschrift. Wer über 12.000 Artikel rausgehauen hat, der braucht nicht mehr zu jedem Beitrag eine Überschrift. “It’s simple, it works, it wins”. Wäre Xing in all den Jahren nicht so unbrauchbar geworden, würde er auch das mehr genutzt haben. Rob war da aus meiner Sicht ganz undogmatisch. “Whatever works is best”.

Zuhörer

Robert Basic, bei dem wir Kinder der Homecomputer-Zeit sicherlich alle dachten, dass es sich nur um einen Künstlernamen handeln kann, wenn sich jemand wie eine Computersprache benennt und dann das Blog auch passenderweise so heißen muss; dieser Typ konnte nicht nur unterhaltsam und interessant schreiben, sondern war auch ein sehr guter Zuhörer und guter Geschichtenerzähler. Jetzt im Gespräch mit einigen seiner Freunde und Bekannten, war es wohl genau diese Eigenschaft bei ihm, die ihn so beliebt gemacht hatte. Man konnte sich mit ihm angenehm unterhalten, lange Diskussionen führen und das war so ehrlich und eine Bereicherung. Beim Webmontag Frankfurt, den es jetzt auch schon seit 2006 gibt und den er damals auch schon öfter besucht hatte, stellte er manchmal sehr gute Fragen oder hielt sich bewusst im Hintergrund auf. Er hatte in seiner Karriere als Blogger auf genügend Bühnen gestanden und sicherlich keine Geltungssucht. Es ging ihm aus meiner Sicht immer nur um den inhaltlichen Austausch, wobei die Form weniger eine Rolle spielte. Sharing is caring, das Credo der Web 2.0 Bewegung von 2005, er lebte es in seiner speziellen Form, und manchmal möchte ich ihn mit einem drogenfreien Robert Scoble vergleichen. Mit Robert Basic hatten wir unseren eigenen Dampfblogger, der aber im Gegensatz zum Scobleizer nicht alles ungeprüft raushaute, sondern mit gesunder Skepsis erstmal überprüfte und auf seine Wertigkeit hin einstufte. Gleicher Vorname, ähnliche Bloggingfrequenz, ähnlicher Fame, aber ein komplett anderer, viel ruhigerer und angenehmer Output.

Autos

Als er mit der Bloggerei über Autos anfing, konnte ich mit diesem Trend anfangs überhaupt nichts anfangen. Es reichte ja schon, dass Palle „zum Daimler” wechselte. Machen die jetzt plötzlich alle in Autos? Wir Großstadtbewohner wollen doch weniger besitzen (= Verantwortung), mehr nutzen. Verfügbare Mobilität, die einen nicht einschränkt, erscheint wichtiger als das schnittige Audi-Coupé, das Robert so geil fand. Ich habe das immer als Traum seiner Generation abgetan (er ist 9 Jahre älter), die jetzt im fortgeschrittenen Alter nochmal richtig Gas geben möchte oder Autos als so eine Art Errungenschaft betrachtet. Bei Robert klang aber auch immer noch mehr mit, weil er sich eben nicht nur für schnelle Autos interessierte, sondern für all das was in “unserem Leistungs- und Hochtechnologieland Deutschland” eine Rolle spielt: Gutes Engineering und durchdachte Prozesse. Kein Bereich wird sich in den nächsten Jahren so verändern wie die Automobilindustrie.

Dieses Interesse für die Technik und seine Rolle in der vorherrschenden Digitalisierung sah ich bei Robert als die Hauptmotivation, sich mit einer aus meiner Sicht altmodischen Technologie (Autos) auseinanderzusetzen. Und er machte das ja nicht nur so nebenbei, sondern als Hauptberuf(ung) und mit allem was dazugehört. Wenn dann richtig.

Legendär sicherlich auch seine Fähigkeit, bei all dem Marketinggeschwurbel in der Industrie Technologien zu hinterfragen und den fragenden Finger in die Wunden der Ingenieure zu legen, die an diese direkte und offene Art der Kommunikation aus ihren Firmen sicherlich nicht so gewohnt waren.

Hätte ich mir jemals einen Testbericht über einen Opel Kombi angeschaut? Wohl kaum. Er erwähnte das so nebenbei in seinem Stream bei Facebook, zeigte Fotos des Kofferraums und listete die Vor- und Nachteile auf. Das bringt bei einer emotionalen Entscheidungsfindung mehr als die oftmals so uninformativen Websites der Autohersteller. Robert, der Influencer.

“Ich kannte ihn aber nur digital”

Viele Leser seiner Blogs kannten Robert nur online, hatten ihn nie persönlich getroffen. Spielt das eine Rolle? Aus meiner Sicht nein, aber ich erwähne es trotzdem, weil viele Erinnerungen oft so anfangen und es dann doch wieder interessant ist: Wenn man jemanden nämlich nur aus der Online-Welt kennt, wird ein bestimmtes Bild und eine Beziehung zu der Person geformt. Die Kraft von Worten, von rein schriftlichem Text oder vielleicht mal von einem Video online — all das reichte vielen Menschen aus, um eine besondere Beziehung zu Robert aufzubauen. Ich finde das ist ein sehr großer Beweis für das nachhaltige Werk von Robert Basic, das jetzt einen Tag vor seinem 52. Geburtstag aus gesundheitlichen Gründen beendet wurde.

Robert hatte all diese Menschen vor allem mit seinen Worten erreicht, schriftlich oder mündlich. Er hat die Menschen dadurch zusammengebracht, hat sie selber zum Bloggen angeregt, hat sie gefördert und sich selber dabei nicht allzu wichtig genommen. Wenn es in der schreibenden Zunft eine Ehre gibt, dann wohl die dass man mit Worten etwas erreichen kann. Und das hat er. Robert Basic war eine Paradebeispiel für jemanden, der mehr gegeben als genommen hat — und dabei wissen wir eigentlich fast nichts über sein Privatleben oder seine Zeit vor der Bloggerei (tl;dr Schule in FFM bis 198x, dann BWL Goethe-Uni, diverse Praktika und Nebenjobs, 1995–2002 Deutsche Bank, danach Vollzeitblogger).

Seinen YouTube-Kanal mit 2748 Abonnenten gab es erst viel später, und heutzutage ist es bei den so gut produzierten, kurzweiligen Videos sicherlich sehr viel schwerer, die Aufmerksamkeit für diese speziellen Themenvideos zu bekommen. Blogs werden heute anders konsumiert als früher, man überfliegt den Inhalt nach brauchbaren Inhalten oder schaut Videos und Podcasts im Schnelldurchlauf. Schaut man sich seine Videos an, ist das ein ganz anderer, viel nüchterner Stil als bei den Videobloggern, die ihre Inhalte nach Likes und Followern ausrichten. Auch das also ein Zeichen für seine Art zu bloggen. Unaufgeregt, auf die Sache ausgerichtet, ohne viel Tralala.

Erinnerung

Nachdem er zurück in die Rhein-Main Region gezogen war, kam er wieder öfter zum Webmontag Frankfurt und so freute ich mich jedes Mal, wenn ich ihn am Eingang begrüßen konnte. Dieses verschmitzte Lächeln wie auf dem Foto oben von Sandra Schink, genau so werde ich ihn in Erinnerung behalten und Euch mit diesem Blogpost darüber berichten, was für ein feiner Kerl er war und wieso wir uns alle so gerne an ihn erinnern. Er hat ja doch auch immer Freude verstrahlt und war kein Kind von Traurigkeit.

Dass Robert erst jetzt einen Eintrag in der deutschsprachigen Wikipedia erhalten hat, ist ein guter Anfang (thx, Claudia!) und ich hoffe, dass mehr seiner Weggefährten das Internet mit Beiträgen über ihn und seine Art bereichern. Robert war für uns alle relevant. Wir brauchen auch wieder mehr Blogger, die den öffentlichen Austausch wagen und so hemmungslos wie er schreiben, ohne sich Gedanken über irgendwelche SEO-Formulierungen zu machen oder Blogs nur als Mittel sehen, um Produkte zu verkaufen. Schreibt, liebe Leute, bringt Euch in Erinnerung und kommuniziert so wie es Robert getan hatte. Seid ehrlich und aufrichtig zueinander, beteiligt Euch aktiv statt nur zu konsumieren. Egal ob Selfie oder langer Blogtext, es zählt alles und bereichert unser Internet.

tl;dr

Feiner Kerl, ehrliche Haut, lieber Mensch mit guter Portion Humor und ordentlichem Pragmatismus. Frankfurter Bub, der mit unersättlicher Neugier viel aufgeschrieben und dadurch viele andere Blogger inspiriert und weitergebracht hatte. Hat in seinem relativ kurzen Leben vieles erreicht und war ein glücklicher Mensch. Wird jetzt leider ein paar technische Entwicklungen verpassen, aber wir machen dafür weiter. Alles gut.


Beim kommenden Webmontag Frankfurt am 26. November 2018 möchten wir seiner gedenken und bitten um weitere Stimmen zu ihm. Wer gerne selber etwas zu Robert und seinem Werk erzählen möchte, der melde sich bitte unter https://wmfra.de/#kontakt — vielen Dank!

Unser Frankfurter Stadtmuseum

Um es gleich vorweg zu erwähnen: Der Um- und Neubau des Historischen Museums in Frankfurt ist eine sehr sinnvolle und lohnenswerte Initiative, die Frankfurt noch viele Jahre lang bereichern wird. Dabei handelt es sich aber keineswegs nur um eine bauliche Maßnahme und die Schaffung von neuen Räumen mit mehr Platz (von 3.200 qm auf 6.000 qm), sondern vielmehr um die optimierte Zusammenstellung bestehender und neu zu schaffender Inhalte. Verbunden werden diese mit einer neuen Umgebung, die als Begegnungsstätte dient und die zugleich einen Blick auf Frankfurt ermöglicht, der an keiner anderen Stelle der Stadt besser platziert wäre.

Besucherströme an den Tagen der freundlichen Übernahme (TAKEOVER).

Das (neue) historische Museum in Frankfurt ist für mich an dieser Stelle eine notwendige Institution; ja fast sogar eine Art Kunsthalle, deren Kuratoren die Bürger teilweise selber sind. Ein Museum für Frankfurt, vergleichbar mit dem Aufruf „Stadt für Alle“, der auf die hohen Lebenshaltungskosten in der Stadt hinweist. Selber sieht man sich auch ähnlich, also weg vom ehemaligen “Fachmuseum für Geschichte”, hin “zum Stadtmuseum der Mainmetropole”.

Die Dachform dient als Vorlage für das Logo und weiteres Branding. Zufälligerweise erinnert es auch an den Römer und andere mittelalterliche Bauten in der Innenstadt.

Eingeladen hatte das KuratorInnen-Team des Historischen Museums zum „Stadtlabor Brainstorming“, einer kreativen Session zu verschiedenen Themenbereichen: Welche Inhalte können im Museum dargestellt werden? Was interessiert die Bürger? Wie können sich diese beteiligen? Welche Inhalte aus Frankfurt werden den Besuchern vermittelt? Welche Inhalte können digital vermittelt werden? Wo sind die guten Orte in Frankfurt, was gefällt Euch an dieser Stadt? Wo seid Ihr gerne und wo nicht?

Die Leuchtreklame des Turmpalastes erinnert an das ehemalige Kino am Eschenheimer Turm. Auch hier erkennbar die markante Dachform. Haben wir hier etwa die Alternative zur sonst so oft rezitierten Frankfurter Skyline?

Fragen, die sich auch schon Franziska Mucha und ihre KollegInnen im Rahmen des „Stadtlabor unterwegs“ gestellt hatten und deren Ergebnisse in die zukünftige Ausstellung im Stadtlabor Digital fließen. Das Stadtlabor ist dabei ein Teil der “Frankfurt jetzt”-Ausstellung im oberen Stockwerk des Neubaus — einem Raum, der für sich alleine schon genau das darstellt, was Franfurt so lange gefehlt hat: mehr (Frei)Raum für die Gegenwartskultur. Für mich ist dieser Raum vergleichbar mit der Hand, die in einen Topf voller Gold greift und damit Werte zu Tage fördert, die jederzeit Begierden wecken und freudig stimmen. Verglichen mit dem alten Fachmuseum an der gleichen Stelle ist das ein Quantensprung, der dem “ältesten Museum Frankfurts” endlich zu dem Standing verhilft, das es schon längst verdient hätte.

“Acht Frankfurt-Klischees werden als Stadtmodell in einer großen Schneekugel präsentiert. Ein Roboter im Kellerraum übernimmt das Auswechseln der Modelle und begrüßt die Besucher.” — Was sich wie die Attraktion eines Erlebnisparks anhört, ist das Ergebnis der Zusammenarbeit der Kuratoren mit externen Beratern, die sich solche Gimmicks ausdenken und damit die Art von Interaktion ermöglichen, die in vielen Museen heutzutage gefordert werden. Kann man machen und wird sich auch noch beweisen müssen.

Im Herzen des Museums, direkt im Eingangsbereich einsehbar, befindet sich der Stauferhafen, eine ehemalige Hafenmauer aus der Staufenzeit, die eine Einbuchtung des ursprünglichen Hafens am Mainufer markiert und seitdem aufgeschüttet und weiter südlich verlegt wurde. Beim Neubau wurden diese historischen Bauwerke im Erdreich entdeckt und die für diesen Ort ursprünglich geplanten Toiletten an eine andere Stelle im Kellergeschoss verlegt. Statt einer überdachten Freifläche für Veranstaltungen, wurde dieser Bereich im südlichen Innenhof jedoch komplett freigelegt und nur durch eine ca. 2m breite Terrasse begrenzt. Welche anderen Schätze mögen wohl noch in der Erde unter Frankfurt auf ihre Entdeckung warten und irgendwann mehr über die Entwicklung der Stadt verraten?

An anderer Stelle erwähnte ich bereits, dass Frankfurt so sehr in der Gegenwart lebt und im Vergleich zu anderen Städten für seine eigene Identifikation eher weniger zurückschaut; sich gefühlt weniger auf dem ausruht, was eigentlich seinen Anspruch als Messestadt und Handelsmetropole unterstreichen würde.

Eigentlich fehlt nur noch ein Frankfurter Hochhaus mit Satteldach.

Für uns Beobachter ist es aber doch sehr interessant, welche Adels- und Kaufmannsfamilien in der Stadt regierten und ihr die nötigen Impulse verleiteten. Und auch jetzt, 70 Jahre nach Kriegsende, möchte man wieder zu altem Glanz kommen und besinnt sich alter Werte, was sich derzeit besonders schön in der neu aufgebauten Altstadt zeigt. Nicht für die Touristen haben wir das gemacht, sondern für uns!

In den Schließfächern verstecken sich Informationen zu historischen Ereignissen

In diesem Zusammenhang müssen auch die Sammler und Stifter erwähnt werden, die meistens aus dem bürgerlichen Umfeld kamen und der Stadt nachhaltige Werke hinterlassen haben (siehe auch: 200 Jahre Städel). Nicht nur komplette Gemäldesammlungen wurden gestiftet, auch andere Spezialsammlungen wie historische Rüstungen und Jagdwaffen oder diverse Münzsammlungen wurden dem Museum hinterlassen. Das ist eine bis heute anhaltende “Tradition bürgerschaftlichen Engagements” und war damals mit der Absicht verbunden, das “Wahre, Schöne, Gute” für die Nachwelt zu erhalten. Doch welche Werte werden wir im Jetzt! für Frankfurt definieren? Genau das möchte das neue historische museum frankfurt mit uns Bürgern zusammen herausfinden — und freut sich spätestens ab Herbst 2017 auf einen vollwertigen Neustart.

Schee, ge?

Historisches Museum Frankfurt
Saalhof 1 (ehemals Fahrtor 2)
60311 Frankfurt am Main
https://historisches-museum-frankfurt.de/

Öffnungszeiten
Di-So 10:00–17:00
Mi 10:00–21:00
Mo geschlossen

Hinweis: Die meisten Bilder in diesem Artikel stammen von der Übergabefeier der Architekten vom 17.05–21.05.2017, als einige der o.g. Räume noch nicht zugänglich waren. Vielen Dank an @nochsoeiner für diese tollen Aufnahmen!


Diesen Artikel schrieb ich für unser Stadtmagazin hallofrankfurt.de, wo er am 1. Juni 2017 veröffentlicht wurde.

Der Webmontag Frankfurt

 

Einkaufen im Internet, Karten für das nächste Konzert bestellen, schnell mal etwas suchen, vom Handy aus bei Facebook Likes verteilen oder im Auto via Google Maps zur nächsten Hochzeit fahren. Was heute selbstverständlich erscheint, war vor einigen Jahren eher noch eine Wunschvorstellung.

Das Internet hat sich in den letzten Jahren rasant verändert, und wir sind mitten drin, wir sind Teil dieses Veränderungsprozesses. Wir alle nutzen das Internet täglich, für uns ist es „das Web“. Wir schreiben selber täglich in dieses Internet rein und sorgen so für eigene, lokale Inhalte.

Um Inhalte geht es auch beim Webmontag Frankfurt, dieser monatlichen Veranstaltung in der Brotfabrik in Frankfurt-Hausen, bei der es Vorträge rund ums Thema „Web“ zu hören gibt.

Als der Webmontag Frankfurt im Februar 2006 zum ersten Mal stattfand, geisterte der Web 2.0 Begriff durch die Medien. Das Mitmachinternet, eine neue Onlinewelt, in der Technik und Inhalte nicht mehr nur von wenigen Machern kontrolliert werden sollten und die einzelnen Dienste technisch nicht mehr voneinander getrennt waren. Anfangs dezentral über ein gemeinsames Wiki organisiert, steckte die lokale Szene voller Webworker, die hier ein schönes Format zum inhaltlichen und persönlichen Austausch fanden. Tim Bonnemann hatte die Idee zum Webmontag seinerzeit aus den USA mitgebracht und hier mit Hilfe einiger Entwickler im Rhein-Main Gebiet und der Brotfabrik Hausen e.V. realisiert.

„Geteiltes Wissen ist doppeltes Wissen.“

Was sich wie ein oller Kalenderspruch anhört, war tatsächlich die Basis für den Erfolg des Webmontag Formats und weiterer Benutzergruppen. „Benutzergruppen“ sagt aber eigentlich kein Mensch, daher nennen wir es „User Groups“, und davon gibt es im Rhein-Main-Gebiet mittlerweile recht viele. Zu jedem Nischenthema, zu jeder Programmiersprache, zu jedem Framework gibt es mittlerweile eine eigene User Group, so dass der Webmontag Frankfurt sich weiterentwickeln konnte und jetzt auch diejenigen anspricht, die mit dem ganzen Onlinegedöns auf den ersten Blick nicht so viel zu tun haben. Und lokale Agenturen, die Dienstleistungen im Onlinebereich anbieten, können so auch außerhalb ihrer normalen Werbeaktivitäten neue Zielgruppen ansprechen.

Wie verändert das Internet unsere Arbeitswelt? Was hat es mit diesem Begriff „Industrie 4.0“ auf sich? Was ist die Digitale Agenda? Was ist mit der Überwachung durch die Geheimdienste? Wie sicher ist WhatsApp? Welchen Stellenwert hat E-Mail heutzutage, wenn die Kids Messenger-Dienste als ID verwenden? Überhaupt, wie ist es mit der Verschlüsselung bei E-Mails beschaffen und wieso nutzt das eigentlich fast niemand? Wieso gibt es auf dem Handy so tolle Apps, aber mein Outlook im Büro spinnt jeden Tag? Wie kann ich meine Website ansprechender gestalten? Was ist SEO? Muss ich jetzt programmieren lernen? Überall Amazon/Zalando: kaufen Frauen online eigentlich anders ein als Männer? Wie kann ich meine Webseite verbessern? Und wer liest heutzutage noch gedruckte Zeitungen und welchen Stellenwert hat Onlinejournalismus? Wieso sind eBooks so teuer? Wie sieht es im Ausland mit dem Internet aus? Wieso gibt es in einigen afrikanischen Ländern praktische Bezahlsysteme auf dem Handy, während wir in Deutschland immer eher die Mißbrauchsgefahren hervorheben? Überhaupt, diese unsägliche Störerhaftung beim WLAN, kann man die nicht mal abschaffen? Was ist mit diesem Freifunkdingens? Zum Mars fliegen aber kein WLAN in der Bahn! 1!11 Und wer hat eigentlich den ganzen Tag Zeit, in dieses Twitter reinzuschreiben? Soll ich das jetzt alles lesen? Oder ständig diese Selfies bei Instagram. Furchtbar.

Alltägliche Fragen, die uns alle irgendwie betreffen, weil das Internet jetzt in 2016 an diesem Punkt angekommen ist, an dem es nicht mehr nur ein paar wenige Freaks interessiert. Daher macht es irgendwie Sinn, einen Vortragsabend zur digitalen (neuen) Welt auszurichten und dabei Themen zu diskutieren, die das ganze Spektrum abdecken: von der technischen Umsetzung und ihren Herausforderungen bis hin zu gesellschaftlichen Veränderungsprozessen. Jedes Mal kommen so bis zu 200 Besucher an einem Abend zusammen und tauschen sich zu neuen Trends und Themen aus. Agenturen nutzen den Webmontag, um neue Projekte vorzustellen; Künstler zeigen ihre Projekte; sogar die Stadt Frankfurt beteiligt sich gelegentlich und berichtet aus den Anforderungen in der digitalen Kommunikation mit den Bürgern. Der Eintritt zum Webmontag ist kostenlos und wer es an einem Montagabend nicht mehr in die Brotfabrik schafft, kann sich das Programm des Abends auch im Livestream anschauen. Gerne auch auf dem Smartphone, denn was vor einigen Jahren noch als ferne Utopie galt, ist heutzutage dank der Videoplattformen wie YouTube ganz selbstverständlich möglich.

Der nächste #wmfra ist am 11. Juli 2016. Und danach am 12. September im Ignite-Style: Ein Vortrag dauert fünf Minuten UND die 20 — starren — Folienseiten bewegen sich alle 15 Sekunden weiter.

Den Webmontag Frankfurt findet man online unter http://www.wmfra.de/, bei Facebook https://www.facebook.com/wmfra , bei Twitter https://twitter.com/wmfra und sonst überall unter dem Hashtag #wmfra.

Die Bahnhofsmission

Den folgenden Artikel schrieb ich für das Stadtmagazin hallofrankfurt.de und er wurde dort am 15. Juni 2016 veröffentlicht:

“Ehrenamtliche Helfer fehlen uns eigentlich am meisten”, sagt uns Pfarrer Johannes H. von der Bahnhofsmission nach der Führung durch den Frankfurter Hauptbahnhof. Mehr als 30 Teilnehmer haben sich auch bei dieser Bahnhofsviertelnacht wieder eingefunden, um im Rahmen einer Führung über den Mikrokosmos Hauptbahnhof mehr zu erfahren.

„Die Bahnhofsmissionen helfen jedem: Sofort, ohne Anmeldung, ohne Voraussetzungen erfüllen zu müssen und gratis. Ist bei Ihnen alles in Ordnung? Gut. Dann kümmern wir uns um die anderen.“

Eine Stunde lang dürfen sich die Besucher in der Bahnhofsmission aufhalten, sofern sie nur einen Kaffee trinken möchten — sonst wird man bei den über 130.000 Anfragen pro Jahr niemals fertig. Ein bewährtes System, denn jeden Tag gibt es ca. 300 Besucher. Menschen mit einem Anliegen, die Hilfe brauchen oder einfach nur Gesprächspartner suchen. Ältere Ehepaare auf der Durchreise, die am Bahngleis Orientierung suchen und von Helfern der Bahnhofsmission zum Ziel begleitet werden. Kinder, die in Begleitung eines Mitarbeiters der Mission nicht alleine reisen sollen und in den Räumlichkeiten der Mission Spielgeräte und sogar eine kleine Kletterwand vorfinden. Hilfe bei fehlender Barrierefreiheit.

Der Frankfurter Hauptbahnhof hat eine lange Geschichte und wurde seinerzeit aufgrund militärischer Anforderungen so groß dimensioniert. Während des 2.Weltkrieges kam ein Luftschutzbunker dazu, später die U- und S-Bahnen, die in offener Bauweise 20m unter dem heutigen Gleisbett in den matschigen Boden gebaut wurden. In der B-Ebene, der Einkaufspassage unterhalb des Bahnhofsvorplatzes, schließt uns ein Mitarbeiter der Mission eine geheimnisvolle Tür auf. Dahinter: ein langer Kellergang, der den Geschäften der B-Ebene einen Wartungszugang bietet, als Notausgang dient und in der Vergangenheit wohl auch schon als Drogenumschlagsplatz genutzt wurde. Im Vorraum des Luftschutzbunkers liegt eine gebrauchte Spritze — Realität im Mikrokosmos Hauptbahnhof, dessen Auftreten sich in den letzten 20 Jahren gefühlt stark verbessert hat.

“Das Bahnhofsviertel soll das Tor zu Frankfurt werden”, so unser Bürgermeister Olaf Cunitz am frühen Abend bei einer Podiumsdiskussion zur Eröffnung der Bahnhofsviertelnacht. Und genau da sollte der Bahnhof eigentlich einen positiven Eindruck hinterlassen. Die Deutsche Bahn als Eigentümer des Hauptbahnhofes ist sich dieser Anforderung wohl sehr bewusst.

“Auch die öffentlichen Toiletten sind ein großes Problem”, sagt uns Pfarrer Johannes noch zum Abschied. “Die 1EUR-Nutzungsgebühr können sich immer weniger Menschen leisten, und so bekommen wir öfter Anfragen zur Benutzung unserer Toilette.” In der Tat gibt es am Hauptbahnhof viel zu wenige öffentliche Toiletten, und das scheint auch etwas Absicht zu sein. Man möchte sich wohl zahlungskräftige Klientel heranholen, die das Image des Hauptbahnhofes verbessern kann.

Wie sich die Bahnhofsmission denn eigentlich finanziere, möchte ich zum Abschluss wissen. Über die evangelische und katholische Kirche ist die Finanzierung wohl gesichert, wir spenden aber trotzdem alle und gerne — auch wenn sich ehrenamtliche Mitarbeit sicherlich nicht in Geld aufwiegen lässt. Die Bahnhofsmission ist eine wertvolle und wichtige Institution, die auch fernab religiöser Überzeugungen funktioniert.