Die Bahnhofsmission

Den folgenden Artikel schrieb ich für das Stadtmagazin hallofrankfurt.de und er wurde dort am 15. Juni 2016 veröffentlicht:

“Ehrenamtliche Helfer fehlen uns eigentlich am meisten”, sagt uns Pfarrer Johannes H. von der Bahnhofsmission nach der Führung durch den Frankfurter Hauptbahnhof. Mehr als 30 Teilnehmer haben sich auch bei dieser Bahnhofsviertelnacht wieder eingefunden, um im Rahmen einer Führung über den Mikrokosmos Hauptbahnhof mehr zu erfahren.

„Die Bahnhofsmissionen helfen jedem: Sofort, ohne Anmeldung, ohne Voraussetzungen erfüllen zu müssen und gratis. Ist bei Ihnen alles in Ordnung? Gut. Dann kümmern wir uns um die anderen.“

Eine Stunde lang dürfen sich die Besucher in der Bahnhofsmission aufhalten, sofern sie nur einen Kaffee trinken möchten — sonst wird man bei den über 130.000 Anfragen pro Jahr niemals fertig. Ein bewährtes System, denn jeden Tag gibt es ca. 300 Besucher. Menschen mit einem Anliegen, die Hilfe brauchen oder einfach nur Gesprächspartner suchen. Ältere Ehepaare auf der Durchreise, die am Bahngleis Orientierung suchen und von Helfern der Bahnhofsmission zum Ziel begleitet werden. Kinder, die in Begleitung eines Mitarbeiters der Mission nicht alleine reisen sollen und in den Räumlichkeiten der Mission Spielgeräte und sogar eine kleine Kletterwand vorfinden. Hilfe bei fehlender Barrierefreiheit.

Der Frankfurter Hauptbahnhof hat eine lange Geschichte und wurde seinerzeit aufgrund militärischer Anforderungen so groß dimensioniert. Während des 2.Weltkrieges kam ein Luftschutzbunker dazu, später die U- und S-Bahnen, die in offener Bauweise 20m unter dem heutigen Gleisbett in den matschigen Boden gebaut wurden. In der B-Ebene, der Einkaufspassage unterhalb des Bahnhofsvorplatzes, schließt uns ein Mitarbeiter der Mission eine geheimnisvolle Tür auf. Dahinter: ein langer Kellergang, der den Geschäften der B-Ebene einen Wartungszugang bietet, als Notausgang dient und in der Vergangenheit wohl auch schon als Drogenumschlagsplatz genutzt wurde. Im Vorraum des Luftschutzbunkers liegt eine gebrauchte Spritze — Realität im Mikrokosmos Hauptbahnhof, dessen Auftreten sich in den letzten 20 Jahren gefühlt stark verbessert hat.

“Das Bahnhofsviertel soll das Tor zu Frankfurt werden”, so unser Bürgermeister Olaf Cunitz am frühen Abend bei einer Podiumsdiskussion zur Eröffnung der Bahnhofsviertelnacht. Und genau da sollte der Bahnhof eigentlich einen positiven Eindruck hinterlassen. Die Deutsche Bahn als Eigentümer des Hauptbahnhofes ist sich dieser Anforderung wohl sehr bewusst.

“Auch die öffentlichen Toiletten sind ein großes Problem”, sagt uns Pfarrer Johannes noch zum Abschied. “Die 1EUR-Nutzungsgebühr können sich immer weniger Menschen leisten, und so bekommen wir öfter Anfragen zur Benutzung unserer Toilette.” In der Tat gibt es am Hauptbahnhof viel zu wenige öffentliche Toiletten, und das scheint auch etwas Absicht zu sein. Man möchte sich wohl zahlungskräftige Klientel heranholen, die das Image des Hauptbahnhofes verbessern kann.

Wie sich die Bahnhofsmission denn eigentlich finanziere, möchte ich zum Abschluss wissen. Über die evangelische und katholische Kirche ist die Finanzierung wohl gesichert, wir spenden aber trotzdem alle und gerne — auch wenn sich ehrenamtliche Mitarbeit sicherlich nicht in Geld aufwiegen lässt. Die Bahnhofsmission ist eine wertvolle und wichtige Institution, die auch fernab religiöser Überzeugungen funktioniert.

Author: jke

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