auf Werkseinstellungen zurücksetzen

Wenn man die nicht gelöschten Nutzerdaten von gebrauchten, bei Ebay erstandenen Handies und Festplatten als zufälliges empirisches Mittel verwenden würde, um die Interessen der Bevölkerung zu definieren, würde sich wohl folgendes Muster ergeben:

Fußball – Sex – Autos – Hitler – Kitsch – Fäkalhumor

Ich verstehe nun wirklich nicht, wieso es in Zeiten eines immer wichtiger werdenden Datenschutzes immer noch Menschen gibt, die all diese Dinge bewusst auf ihren Geräten lassen und sich damit teilweise strafbar machen.

Heute habe ich z.B. ein Gerät für einen 12jährigen Jungen aufgearbeitet*, auf dem sich neben diversen “lustigen” Bildchen und Sprüchen auch verherlichende Bilder von Adolf Hitler und derber Pornographie befanden.

Übertragen auf das große Netzwerk (Internet) ist es dann allerdings nur logisch, dass sich auf den allermeisten Handies erfahrungsgemäß überwiegend dämliche oder kitschige Bilder-/Audiodateien befinden, da das Internet dieses auch im Überfluss bietet (LOL Katzen und den ganzen anderen Dreck, der Bandbreite verbraucht).

Dabei ist es ganz einfach: die allermeisten Handies besitzen im Menü eine “auf Werkseinstellungen zurücksetzen” Funktion, im Internet gibt es diverse Webseiten, die Auskunft über gerätespezifische Codes geben, mit denen sich diverse Einstellungen zurückstellen lassen, und bei normalen Festplatten würde ja theoretisch schon eine normale Formatierung reichen, oder aber die Verwendung diverser kleiner Programme, die evtl vorhandene Daten überschreiben.

Manchmal glaube ich, dass sich viele Mitbürger immer noch nicht der enormen Gewalt elektronisch verarbeiteter Daten bewusst sind. Siehe Thema Vorratsdatenspeicherung.

Auf der anderen Seite, um mal beim Thema Handy zu bleiben, kann man den Herstellern auch vorwerfen, jahrelang den Austausch von user generated content vernachlässigt zu haben. Selbst das Auslesen, Sichern und Einspielen eines Telefonbuches im Gerät (sofern sich dieses nicht komplett nur auf der SIM Karte befindet) bereitet den meisten Benutzern Schwierigkeiten. Von einem einheitlichen, Herstellerübergreifenden Standard der Nutzerdaten ganz zu schweigen – und selbst Dienste wie Plaxo oder Zyb bieten leider noch keinen 100prozentigen Abgleich zwischen dem Handytelefonbuch, Internet Webmailern (Gmail, Yahoo, etc.) und des lokal installierten PIMs (Outlook, Thunderbird, etc.).

Eigentlich wäre dies ja eine Marktlücke für die emerging markets aber selbst in Kenia traf ich nie einen Handybastler, der auch die Nutzerdaten von Geräten auf andere überträgt und dieses als Dienstleistung explizit anbietet. Und das gerade in modularisierten Welten wie Deutschland oder in Gebieten mit relativ dünn besiedelter Elektronikdichte wie Kenia, wo (sich) Geräte wie das Mobiltelefon immer mehr zum Gegenstand persönlicher Entfaltung herauskristallisieren.

Vielleicht wird es ja wirklich so kommen, dass die Menschen Geräte nur noch als Werkzeug empfinden, als Hülle, und sich die eigentlichen Nutzerdaten irgendwo zentral gespeichert auf einem Server befinden. So jedenfalls meine Vermutung für die Zukunft…

* Aufarbeiten bedeutet: Gerät komplett zerlegen, alle Einzelteile reinigen, die Hauptplatine ohne lose Teile in ein Isopropanolbad + zusätzlich abbürsten, ausblasen mit Druckluft, auf die wirklich heiße Heizung legen und Bauteile nachdrücken, zusammenbauen, alte Nutzerdaten löschen, evtl Firmwareupdate.

Author: jke

Hi, I am an engineer who freelances in water & sanitation-related IT projects at Saniblog.org. You'll also find me on Twitter @jke and Instagram.